AL-KINDĪ

Das Ägyptische Fatwa-Amt

AL-KINDĪ

AL-KINDĪ

 

Vielleicht hast du schon einmal die Namen bedeutender europäischer Philosophen gehört, die die europäische Kulturgeschichte bis in unsere heutige Zeit beeinflusst und geformt haben. Dazu gehören etwa die Griechen Sokrates, Plato und Aristoteles, die Franzosen Voltaire und Pascal, die Chinesen Laotse und Konfuzius sowie die Deutschen Kant und Nietzsche.
Aber hast du auch gewusst, dass es bereits bei den arabischen Muslimen im 9. Jahrhundert bedeutende Philosophen gab? Als erster muslimischer arabischer Philosoph gilt Abū Yūsuf Yaʿqūb Ibn Ishāq Al-Kindī, der allerdings nicht nur Philosoph, sondern auch Astronom, Physiker, Chemiker, Mathematiker, Arzt, Psychologe, Übersetzer und Musikwissenschaftler war. Geboren wurde er um 800 n. Chr. in der damaligen Gelehrtenstadt Kufa im Irak, verstorben ist er um 870 in Bagdad, der heutigen Hauptstadt des Irak. Und stell dir einmal vor! Er verfasste neben seinen philosophischen Veröffentlichungen auch noch 23 Bücher über Geometrie, 32 über Astronomie, 8 über Arithmetik und Musik, 8 über Optik, 22 über Medizin und Meteorologie, 14 über Politik und 5 über Psychologie, das heißt also über einhundert Bücher! Da hast du ein schönes Beispiel für fleißiges Schaffen!

 

Hinsichtlich seiner Übersetzertätigkeit ließ er einen Großteil der Werke von Aristoteles und Plato übersetzen und korrigierte diese Übersetzungen dann selbst. Er erklärte sie im Rahmen der Fragen und Probleme der damaligen islamischen Geisteswelt und schuf philosophische Grundbegriffe im Arabischen. Diese von ihm geprägten Grundbegriffe sind die Grundlage für die später darauf aufbauende islamische Philosophie. Verschiedene philosophische Erkenntnisse und Ansichten Al-Kindīs wurden auch von späteren europäischen Philosophen übernommen.
Im Gegensatz zur europäischen Philosophie sind die Grundlagen der islamischen Philosophie der Quran und die Sunna. Al-Kindi und die späteren muslimischen Philosophen sind also sozusagen spezialisierte Religionswissenschaftler, der nicht die Wörter des Quran erklären und aus diesen keine Rechtsnormen für die Verhaltensweisen der Muslime ableiten, sondern versuchen, auf der Basis von Quran und Sunna Antworten auf philosophische Fragen zu finden. Dies war vor allem in der damaligen Zeit sehr wichtig, denn insbesondere die muslimischen Kaufleute kamen mit vielen Völkern und hochstehenden Kulturen in Kontakt, deren Bürger nicht nur die islamischen Regeln für das tägliche Leben und für die Anbetungshandlungen wie rituelles Gebet und Fasten kennen lernen wollten, sondern von den Muslimen auch Antworten auf philosophische Fragen wollten, beispielsweise auf Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach der Willensfreiheit des Menschen, nach dem rationalen Beweis der Existenz eines allmächtigen und einzigen Schöpfers, nach der Beschaffenheit der körperlichen und geistigen Welt, nach Ursache und Wirkung sowie auf Fragen nach weiteren philosophischen Themen.
Ich will dir dies an zwei Beispielen deutlich machen. Wenn du fragst „Warum lebe ich?“, dann sagt dir der Religionsphilosoph: „Damit du Allah anbetend dienst. So steht es im Quran. Und anbetendes Dienen bedeutet, dass du Allahs Gebote und Verbote beachtest und auf diese Weise ein gutes Leben führst und anderen Menschen durch deine vorbildhafte Lebensweise auch zu einem guten Leben verhilfst.“
Und wenn du – als zweites Beispiel – fragst „Habe ich überhaupt einen freien Willen, Entscheidungen zu treffen, da doch Allah alles schon vorherbestimmt hat?“, dann sagt dir der Religionsphilosoph beispielsweise: „Ja! Du hast Willensfreiheit. Denn im Islam gilt als Grundlage, dass du für deine schlechten Taten von Allah bestraft und für deine gute Taten belohnt wirst. Und natürlich wäre es ungerecht, dass du für etwas bestraft wirst, wozu du gezwungen wurdest, dass du es tust. Und Allah ist niemals und in keiner Weise ungerecht, und ER liebt die Ungerechten nicht. ER ist der absolut Gerechte. Und ER ist weiterhin der alles Wissende, auch hinsichtlich aller Dinge, die erst in der Zukunft geschehen werden, und ER kennt alle Menschen ganz genau, da ER sie ja erschaffen hat. Deshalb weiß ER auch, wie du dich bei all deinen Entscheidungen in all deinen Situationen in deinem Leben verhalten wirst und berücksichtigt bei SEINER Vorherbestimmung aller Geschehnisse im ganzen Universum dieses umfassende Wissen.“
Ich will dir das an einem Beispiel aus deinem täglichen Leben noch deutlicher machen: Deine Eltern kennen dich sehr gut und wissen, was du gerne magst und was du nicht liebst. Wenn du also etwa gern Pommes isst und deine Mutter dich eines Tages fragt „Ich mache heute Fischstäbchen. Möchtest du sie mit Reis oder mit Pommes?“, dann antwortest du natürlich: „O Mama, bitte mit Pommes!“ Und da deine Mutter diese Antwort erwartet hat, hat sie auch schon Pommes gekauft. Du hast nun aber diese Antwort nicht gegeben, weil deine Mama damit gerechnet hat, dass du Pommes haben möchtest, sondern du hast diese Antwort gegeben, weil du Pommes lieber isst als Reis. Es ist also deine Entscheidung, auch wenn deine Mama dies erwartet und die Pommes schon gekauft hat.

 

Nun hast du also etwas über islamische Religionsphilosophie und über den ersten muslimischen Philosophen Al-Kindī und dessen wissenschaftliche Arbeit und Fleiß erfahren. Möge Allah auch dich zu einem fleißigen Muslim machen, der immer nach Wissen und Verbreitung von Wissen strebt – so wie es der Islam von den Muslimen fordert!

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