Quran-Rezitation während einer Trau...

Das Ägyptische Fatwa-Amt

Quran-Rezitation während einer Trauerveranstaltung

Ihre Frage

Wir wohnen in einem ländlichen Dorf in Oberägypten. Wenn jemand, ob männlich oder weiblich, verstorben ist, führen wir für ihn drei Tage lang eine Trauerveranstaltung durch, wobei wir die Kondolierenden sowohl vom eigenen Dorf als auch von Nachbardörfern empfangen und einen Quran-Rezitierenden holen, damit dieser den ehrwürdigen Quran in der Trauerveranstaltung rezitiert. In diesen Tagen wurden wir jedoch von einigen Leuten überrascht, die die rechtliche Entscheidung fällen, dass dieses Vorgehen eine unerlaubte, irreführende Neuerung und nicht statthaft sei, und zwar mit der Beweisführung, dass dies sich weder zur Zeit des Propheten (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!) noch zur Zeit der Prophetengefährten (möge Allah an ihnen Wohlgefallen finden!) ereignete, so dass derjenige, der den Quran bei der Trauerveranstaltung rezitiere, eine Sünde begehe und sein Honorar haram sei. Auf Grund dieser Rechtsentscheidung ereigneten sich viele Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten unter Befürwortern und Gegnern. Deshalb finden wir keine andere Lösung als an Sie zu schreiben und Sie um eine Antwort auf diese Frage zu bitten, um die Meinungsverschiedenheit unter den Dorfbewohnern beizulegen. Ist es richtig, was einige als Rechtsentscheidung mitteilten?

Antwort

    Die ehrwürdige islamische Religion ist eine Religion der Zuneigung, der Barmherzigkeit, des Zusammenhalts, des Kommunizierens und des Tröstens, und zwar gemäß den Worten von Allahs Gesandten Muhammad (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!) in einem von Al-Buchari und Muslim nach einer Aussage von An-Nu´man Ibn Baschir (möge Allah an beiden Wohlgefallen finden!) überlieferten Hadith: "Die Gläubigen gleichen hinsichtlich ihrer freundschaftlichen Beziehungen, ihres Mitgefühls und ihrer Sympathie zueinander einem Körper – wenn eines seiner Glieder leidet, werden die anderen durch Schlaflosigkeit und Fieber involviert." Der Islam hält seine Anhänger zum Trösten von durch ein Unglück Betroffenen unter ihnen an um die Schmerzen seines Unglücks zu lindern. Ferner verhieß der Prophet (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!) dem Tröstenden einen großartigen Lohn. So sagte er in einem von At-Tirmidhi und Ibn Madscha überlieferten Hadith: "Wer einen von einem Unglück Befallenen tröstet, dem wird dasselbe wie dessen Lohn vergolten." Auch sagte er (Allahs Segen und Frieden seien mit ihm!) in einem von Ibn Madscha überlieferten Hadith: "Es gibt niemanden unter den Gläubigen, der seinen Bruder wegen eines Unglücks tröstet, ohne dass ihn Allah der Gepriesene Kleidungsstücke der verehrten Menschen am Auferstehungstag anlegen lässt." Darüber hinaus ist es erwünscht, dass man alle der Familie des Verstorbenen, Junge und Alte respektive Männer und Frauen, tröstet, wobei Männer weder junge Frauen noch diejenigen, von denen man eine Verführung befürchtet, trösten. Ebenfalls gibt es keine Trauerklage nach drei Tagen, es sei denn, für einen Abwesenden vom Ort, der vom Ableben nichts wusste. In diesem Fall darf er trösten, wenn er kommt oder davon erfährt.
Des Weiteren gehören das Durchführen von Trauerfeiern und das Errichten von Festzelten zwecks Entgegennahme des Trostes von den Kondolierern zu den Traditionen, die der ehrwürdigen Scharia nicht zuwiderlaufen; denn sie bilden de facto ein Mittel, das bei der Durchführung der schariatischen Anweisung, nämlich Trost eines vom Unglücksfall Betroffenen, hilft.

    In der Scharia ist vorgesehen, dass die Rechtsnorm der Absichten auch für die Mittel gilt, solange die Mittel an sich nicht haram sind. Errichtet man derartige Festzelte auf eine Weise, die keine Verschwendung, Ruhmredlichkeit oder Prahlerei beinhaltet, und beabsichtigt man damit die Assimilation der Anzahl der Kondolierer, die Häuser und Wohnungen nicht fassen, so gibt es dagegen keinen Einwand. 

    Auch das Herbeiholen von Rezitierenden für Quran-Rezitation es grundsätzlich zulässig und es spricht nichts dagegen. Das Honorar eines Rezitierenden ist rechtmäßig und es gibt keinen Einwand dagegen, denn es handelt sich dabei um ein Honorar für einen Zeitaufwand und nicht um ein Honorar für Quran-Rezitation. Wir geben also dem Rezitierenden ein Honorar als Gegenleistung für dessen Unterbrechung seiner eigentlichen Arbeit um der Rezitation, seiner Beschäftigung mit ihr, seines Unterlassen eigener Interessen und seines Unterhaltes willen, allerdings unter der Bedingung, dass dies weder von der Hinterlassenschaft des Verstorbenen bezahlt noch damit Ruhmredlichkeit und Prahlerei beabsichtigt wird, sowie unter der Voraussetzung, dass die Leute den ehrwürdigen Quran hören und ihm zuhören. Beabsichtigt man jedoch Ruhmredlichkeit und Prahlerei – wie es oft vorkommt –, so handelt es sich um eine von der Scharia her haramen Verschwendung. Das Verbot verstärkt sich, wenn die Minderjährigen der Familie des Verstorbenen einen Teil von dem dafür bezahlten Geld ausgeben, obwohl sie dessen bedürfen. Ferner darf niemand etwas von all dem aus der Hinterlassenschaft des Verstorbenen oder vom Vermögen eines Anderen bezahlen, es sei denn, dieser möchte dies von sich aus. Weder die Minderjährigen noch diejenigen, die dies nicht von sich aus wollen, bezahlen etwas davon.

    Es besteht kein Zweifel daran, dass die Familie des Verstorbenen dringend jemanden braucht, der Mitleid mit ihnen hat und sie tröstet respektive für sie das Essen zubereitet und ihr Geld gibt, wenn sie es benötigt, weil sie mit ihrem Verstorbenen und dessen Herrichtung beschäftigt sind. Dies ist die Bedeutung der Aussage des Gesandten Allahs (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!) in einem von Abu Dawud, Ibn Madscha und Al-Baihaqi nach einer Aussage von Abdullah Ibn Dscha´far (möge Allah an beiden Wohlgefallen finden!) überlieferten Hadith: "Bereitet für die Familie Dscha´fars Speise zu! Denn es ereignete sich etwas bei ihnen, was sie beschäftigt sein lässt." Eventuell muss man sogar sitzen um die Kondolierer zu empfangen, damit einem die Kondolierer nicht vorwerfen, dass man sie nicht mag, weil man sie nicht empfangen hat, worauf Asch-Schirawani in seinem Werk "Anmerkungen zum Werk Tuhfatu-l-Muhtadsch Bi Scharhi-l-Minhadsch von Ibn Hadschar Al-Haitami) hingewiesen hat.

    Dementsprechend und in Beantwortung der Frage gilt Folgendes: 

    Das in der Frage erwähnte Durchführen von Trauerfeiern und das Herbeiholen von Quran-Rezitierenden gehören grundsätzlich zu den offenstehenden Angelegenheiten, solange sie weder Ruhmredlichkeit noch Prahlerei oder Aufzehren des Vermögens der Menschen auf nichtige Weise beinhalten, sonst ist es haram.

Und Allah der Hocherhabene weiß es am besten!

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