Ist das Hören des Gebetsrufs eine B...

Das Ägyptische Fatwa-Amt

Ist das Hören des Gebetsrufs eine Bedingung für Teilnahme am Gemeinschaftsgebet?

Ihre Frage

Die vorliegende Frage dreht sich um Folgendes:

    Wir sind eine Gruppe in Griechenland ansässiger Ägypter. Allah der Hocherhabene verlieh einigen Glaubensbrüdern Erfolg beim Errichten einer Moschee, in der die Zeremonien verrichtet werden. Wir haben natürlich nicht das Recht irgendeine Stimme aus der Moschee dringen zu lassen, sei diese ein Gebetsruf oder irgendeine laute Stimme.

    Seit etwa fünf Monaten verringert sich die Anzahl der Betenden in der Moschee. Einige Glaubensbrüder teilten mir mit, dass ihnen ein junger Mann eine Fatwa hinsichtlich des Hörens des Gebetsrufes erteilt habe, wobei er den folgenden Hadith des Propheten (Segen und Frieden seien mit ihm!) mit dem blinden Mann als Beweisführung anführe: "Hörst du den Gebetsruf? – Dann folge diesem!" Gemäß diesem Hadith erteilte er ihnen seine Fatwa, dass sie in die Moschee nicht zu gehen brauchen, sofern sie den Gebetsruf nicht hören.

    Ich bitte Eure Eminenz um eine Antwort auf meine folgende Frage: Ist das Hören des Gebetsrufs eine Bedingung für das Gehen in die Moschee zwecks Verrichtens der rituellen Gebete, obwohl es Gebetszeitenberechnungen und Kalender gibt, in denen diese Gebetszeiten niedergeschrieben sind? Und worin liegt der Vorzug des Taraawieh-Gebets [freiwilliges Gebet nach dem Nachtgebet im Monat Ramadan]?

Antwort

    Erstens: Der Islam hält uns zum Gemeinschaftsgebet wegen des enormen Vorzugs im Diesseits und im Jenseits an, den es besitzt. Es macht nämlich die Herzen miteinander vertraut, bringt die Muslime zusammen und hält sie zur Brüderlichkeit, zum Kennenlernen und zur Zusammenarbeit an. Überdies übersteigt es das Einzelgebet um 27 Stufen, und zwar gemäß den Worten des Propheten (Allah segne ihn und schenke ihm Wohlergehen!) in einem von Al-Buchari und Muslim überlieferten Hadith: "Das Gemeinschaftsgebet übersteigt das Einzelgebet um 27 Stufen." 

    Was nun den Gebetsruf anbelangt, so ist dieser zwecks Verkündung der Gebetszeit vorgeschrieben. Hierbei handelt es sich um einen der Islam-Riten, an die man sich halten muss, selbst wenn dies in der Moschee erfolgt. Es ist auf gar keinen Fall zulässig diesen zu unterlassen. Erkennt man die Gebetszeit durch eine andere Art und Weise als den Gebetsruf, genügt das für das Verrichten des Gemeinschaftsgebets in der Moschee. Es ist nicht erforderlich, dass ein Muslim den Gebetsruf hört um sich zum Gemeinschaftsgebet zu begeben.

    Was nun den von Muslim überlieferten Hadith des Gesandten Allahs (Allah segne ihn und schenke ihm Wohlergehen!) mit dem blinden Mann betrifft, so lautet dessen Wortlaut: "Ein Blinder kam zum Propheten (Allah segne ihn und schenke ihm Wohlergehen!) und sagte: "O Allahs Gesandter! Ich habe keinen Begleiter, der mich zur Moschee führt." Er bat dann Allahs Gesandten (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!), dass dieser ihm die Erlaubnis erteilen möge, dass er zu Hause betet. Da erteilte ihm der Prophet die Erlaubnis. Als der Mann sich zum Gehen wandte, rief ihn der Prophet und fragte ihn: "Hörst du den Gebetsruf?" Er erwiderte: "Ja!" Daraufhin sagte der Prophet: «Dann sollst du diesem folgen.»

    Dieser Hadith beweist das Sich-Begeben zum Gemeinschaftsgebet, selbst wenn es um einen Blinden geht, sofern dieser die Gebetszeit erfährt. Der Gebetsruf galt nämlich zur Zeit des Gesandten Allahs (Allah segne ihn und schenke ihm Wohlergehen!) als das einzige Mittel für die Benachrichtigung über das Gebet. In der heutigen Zeit kann man jedoch von der Gebetszeit durch andere Mittel Kenntnis erlangen, wie Uhren und Kalender, in denen die Gebetszeiten niedergeschrieben sind. Solange der Gebetsruf innerhalb der Moschee durchgeführt wird, wird der Ritus des Gebetsrufes realisiert. Im Hadith gibt es nichts – weder explizite noch implizite – an Beweisen, auf die derjenige, der hinsichtlich des Nicht-Gehens der dortigen Menschen in die Moschee zum Gemeinschaftsgebet bei Nichthören des Gebetsrufes die Fatwa erteilte, Bezug nehmen könnte.

    Wir appellieren an die muslimischen Mitbrüder in Griechenland, keine Fatwas zu erteilen, es sei denn, sie seien Experten in den Wissenschaften der Scharia, damit die Muslime nicht in eine schwierige Lage und in Irrtum stürzen.

    In Beantwortung der Frage und auf Grundlage des Obenerwähnten gilt Folgendes:

    Es ist keine Conditio sine qua non, dass jemand, der das Gebet in der Moschee verrichten möchte, den Gebetsruf hört. Es genügt ihm das Erkennen des Eintretens der Gebetszeit durch irgendein anderes Mittel, wie etwa Uhren und Anderes.

    Zweitens: Was das Taraawieh-Gebet betrifft, so stellt dieses eine Sunna sowohl für Männer als auch für Frauen dar und wird nach dem Nachtgebet und vor dem Witr-Gebet mit jeweils zwei aufeinander folgenden Rak´as verrichtet, wobei seine Zeitspanne bis zum Ende der Nacht dauert.

    Sein Vorzug ist enorm. In einem von Ahmad, Al-Buchari, Muslim, Abu Dawud, At-Tirmidhi und Ibn Maadscha überlieferten Hadith berichtet Abu Huraira: "Allahs Gesandter (Allah segne ihn und schenke ihm Wohlergehen!) pflegte den Wunsch nach dem Verrichten des freiwilligen Gebets in der Nacht im Monat Ramadan zu erwecken, ohne dass er dieses zur Pflicht machte. So sagte er: "Wer auch immer – aus dem Glauben heraus und in der Hoffnung auf die Belohnung seitens Allahs – den Ramadan im freiwilligen Gebet verbringt, dem werden seine vorausgegangenen Sünden vergeben."

    Aus dem Erwähnten ergibt sich die Antwort.

    Und Allah der Hocherhabene weiß es am besten!

Dies teilen:

Zusammenhängende Fatwas