Rechtsnorm für Umgehen mit Fundsachen
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Bei Fundsachen handelt es sich um etwas, das dessen Eigentümer verloren hat und von anderem gefunden wurde. Dass der Eigentümer etwas verloren hat, bedeutet jedoch nicht, dass er nicht mehr dessen Eigentümer ist, vielmehr gehört das Verlorene nach wie vor zu seinem Eigentum. Die Gesellschaft ist auch aufgefordert das Verlorene für ihn nach bestem Können zu finden. Die islamische Scharia erlaubt, dass man die Fundsache aufliest um diese Angelegenheit zu erleichtern. Aus diesem Grund wurden beim Auflesen einer verlorenen Sache einige Normen festgesetzt, die in höchstmöglichem Maß gewährleisten, dass keine Nachlässigkeit und kein Betrug beim Suchen nach dem Verlierer begangen werden. Die Rechtsgelehrten sprechen davon, dass das Auflesen einer Fundsache an die Redlichkeit des Finders gebunden ist und auch daran, dass es demjenigen, der von sich selbst weiß, dass er möglicherweise einen Betrug begehen würde, nicht ansteht, diese Sache aufzugreifen, sonst würde er als Dieb bezeichnet. Die Rechtsgelehrten erwähnen ferner, dass jemand, wenn er beabsichtigt, die Fundsache an sich zu nehmen, diese bei sich verwahren muss, weil er sie weder mit Erlaubnis deren Eigentümers noch gemäß der Scharia an sich nimmt. Sie sprechen auch über die Arten der Anzeige der Fundsache und darüber, dass der Verantwortliche, wenn der Finder ein Frevler ist, eine treue Person an der Bekanntmachung und am Verwahren der Fundsache teilnehmen lässt. Dadurch zeigt sich, dass die Scharia beim Auflesen einer Fundsache darauf abzielt, das anvertraute Gut schützend zu verwahren und Fundsachen deren Eigentümern zukommen zu lassen.
Wer sich mit den Texten der Rechtsgelehrten, die die Rechtsnormen des Bekanntmachens von Fundsachen behandeln, beschäftigt, erkennt einen starken Zusammenhang mit dem Usus, wobei die Gelehrten mit der Eingrenzung des Begriffes der bekanntzumachenden Fundsache sowie mit der Unterscheidung zwischen Fundsachen und Dingen, auf die deren Eigentümer verzichtet und die man an sich nehmen kann, beginnen und mit der Art und Weise der Bekanntmachung und deren Frist, nach deren Verlauf man den Verlierer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr findet, schließen. Wenn sich also der Tatbestand verändert, erfordert dies eine Entwicklung der Konzeption des Bekanntmachens gemäß den Traditionen der Leute in dieser Zeit sowie gemäß dem, womit sie hinsichtlich des Suchens von Sachen und Menschen vertraut sind. Gemeint sind die Polizeidienststellen. Genauso wie die Verlierer sich bei den Polizeidienststellen melden, sind die Finder selbstverständlich von der Verpflichtung zur Bekanntmachung der Fundsache erst befreit, wenn sie die Fundsache bei einer Polizeidienststelle angezeigt haben.
Der ägyptische Gesetzgeber hat dies verstanden und auch, dass die Regelung der Rechtsnormen für Fundsachen zur Rechtspolitik gehört, die sich eventuell nach Zeit, Ort, Situation und Traditionen verändert. Der Gesetzgeber erließ diesbezüglich Gesetze, die zur Natur der Zeit passen und das Ziel der Scharia hinsichtlich des Ablieferns einer Fundsache bei deren Eigentümer verwirklichen. Im Artikel 873 des ägyptischen Zivilgesetzbuches steht: "Das Recht auf Fischen, Jagd, Fundsachen und archäologische Anlagen wird durch Sondergesetzte geregelt." Zitatende. In diesem Zusammenhang wurden Verordnungen erlassen, die den Ort der Bekanntmachung, an dem die Fundsache abgeliefert wird, bestimmen, nämlich die Polizeidienststellen. Diese Verordnungen bestimmen auch die Frist, bis zu der verlorene Sachen verwahrt werden, und regeln die Art und Weise des Umgehens mit diesen Sachen nach Verlauf dieser Frist und das Aufbewahren des Verkaufserlöses zu Gunsten des Eigentümers sowie die Zeit, bei der diese Beträge beim Staat abgeliefert werden, falls der Verlierer nicht erscheint um diese verlorene Sache in Empfang zu nehmen.
Zu den in diesem Zusammenhang geltenden Verordnungen gehört der Erlass vom 18. Mai des Jahres 1898, der lautet, dass derjenige, der eine verlorene Sache oder ein verlorenes Tier findet und diese Fundsache dessen Eigentümer nicht sofort abliefern kann, diese Fundsache innerhalb dreier Tage bei der nächsten Polizeidienststelle, falls der Finder sich in der Stadt befindet, oder innerhalb von acht Tagen bei den Bürgermeistern, falls er sich auf dem Land befindet, abliefern muss. Anderenfalls wird der Finder bestraft. Falls der Finder die Fundsache bei sich behält um sie an sich zu nehmen, wird er als Dieb bezeichnet. (Wir weisen aber hier darauf hin, dass sich dies von der schariatischen Konzeption hinsichtlich des Stehlens, dessentwegen von der Scharia her die Hand amputiert wird, unterscheidet.) Kommt aber der Finder der Verpflichtung zum Abliefern nach, verdient er eine Belohnung, die sich auf ein Zehntel des Wertes der Fundsache beläuft. Wenn der Eigentümer die Fundsache nicht einfordert, wird innerhalb eines Jahres nach Aufbewahrungsbeginn die Fundsache auf einer öffentlichen Versteigerung seitens der Verwaltung oder innerhalb von zehn Tagen nach Aufbewahrungsbeginn bei gefundenen Tieren verkauft. Es ist auch rechtens, dass man diese Zeitspanne verkürzt, wenn man befürchtet, dass diese Fundsache verderben werde. Der Finder bekommt dann ein Zehntel des Erlöses für die Fundsache, wobei die Verwaltung den Restbetrag für drei Jahren zu Gunsten des Eigentümers verwahrt; falls sich der Eigentümer in dieser Zeitspanne nicht meldet um den Restbetrag in Empfang zu nehmen, wird dieser Betrag dem Staat zugeführt.
Im novellierten Artikel 321 des ägyptischen Strafrechts steht: "Jeder, der eine verlorene Sache oder ein verlorenes Tier findet und diese beim Eigentümer – wenn ihm dies möglich ist – oder bei der Polizeidienststelle oder bei der Verwaltung innerhalb dreier Tage nicht abliefert, wird zu einer Gefängnisstrafe mit Zwangsarbeit von höchstens zwei Jahren verurteilt, falls er die Fundsache mit der Absicht behält, diese an sich zu nehmen. Falls er aber die Fundsache nach dieser Zeitspanne bei sich behält, aber nicht beabsichtigt diese an sich zu nehmen, wird er zu einer Geldstrafe, die 100 ägyptische Pfund nicht übersteigt, verurteilt." Zitatende.
Es ist schariatisch festgelegt, dass das Urteil eines Rechtsprechenden eine Meinungsverschiedenheit aufhebt und es diesem zusteht Indifferentes einzuschränken und nach dessen Gutdünken eine der Meinungen der Rechtsgelehrten, die unter Sichbemühen zu einer eigenständigen Rechtsfindung gelangt sind, auszuwählen, wobei das sich darauf basierende Handeln unter Bekennen zur öffentlichen Ordnung und Wahrung der Rechte Pflicht ist
Auf Grund dessen und in Beantwortung der Frage gilt Folgendes:
Es gilt als rechtes Verhalten der Schülerin, was sie hinsichtlich des Ablieferns des goldenen Ringes bei Schulverwaltung getan hat. Der Erziehungsberechtigte der Schülerin hat indes weder ein Recht auf den Ring noch auf dessen Erlös. Denn es ist klar erkennbar, dass seine Tochter mit dem Auflesen des Ringes keine Absicht zum Aneignen oder zum Bekanntmachen hatte. Was jedoch später die Schulverwaltung hinsichtlich des Verkaufs des Ringes unternahm, gilt als unrechtes Verhalten, da dies erst nach rechtsgültiger Bekanntmachung der Fundsache bei der dafür bekannten zuständigen Behörde, in diesem Fall also bei einer Polizeidienststelle, unternommen wird. Das richtige Verhalten in diesem Fall hätte so ausgesehen, dass die Schulverwaltung ein Fundsachenprotokoll bei der Polizeidienststelle hätte aufnehmen lassen, da die meisten Verlierer sich bei einer Polizeidienststelle melden. Begibt sich der Finder zur Polizeidienststelle, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Verlierer das wiedergefundene Verlorene vorfindet, sehr hoch. Aus diesem Grund ist der Finder dazu verpflichtet, die Fundsache dort abzuliefern. Auf diese Weise hätte sich die Schule ihrer Verpflichtungen zu dieser Fundsache gegenüber Allah dem Erhabenen entledigt. Es steht der Schule weder zu, über eine Sache, die nicht ihr Eigentum ist, zu verfügen noch deren Finder oder irgendjemandem etwas von dieser zu geben. All dies steht niemandem zu außer der offiziellen Stelle, die damit betraut ist.
Und Allah der Hocherhabene weiß es am besten!