Sprengstoffanschläge in Pakistan

Das Ägyptische Fatwa-Amt

Sprengstoffanschläge in Pakistan

Ihre Frage

Die vorliegende Frage dreht sich um Folgendes:

    Wir sahen und hörten in den Massenmedien von den Sprengstoffanschlägen, die sich kürzlich, und zwar am 25. Dezember 2010 in Pakistan ereigneten und auf eine zum Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen in Pakistan gehörende Stätte für Verteilung von Hilfsgütern abzielten, zu der sich arme und obdachlose Bürger begeben. Mehr als 40 Menschen sind bei diesen Anschlägen getötet und mindestens 70 weitere verletzt worden. Sie hatten unbewaffnete Zivilisten zum Ziel. Wie lautet nun die Scharia-Norm für diese Anschläge?

Antwort

 

    Diese Sprengstoffanschläge, die sich kürzlich ereigneten, sind zweifellos von der Scharia her haram, und zwar aus folgenden Gründen:

    Erstens: Deren Verstoß gegen schariatische Quellentexte:

    Diese Sprengstoffanschläge stehen in verschiedener Hinsicht nicht im Einklang mit schariatischen Quellentexten, wozu etwa gehört, dass sie zum Umbringen unter Schutz stehender Muslime führten. Die edle Scharia misst ja dem Blut eines Muslim hohe Bedeutung bei und flößt hinsichtlich unberechtigten Vergießens dessen Blutes oder dessen Antastens sehr starke Furcht ein. Der Erhabene sagt:

وَمَن يَقْتُلْ مُؤْمِناً مُّتَعَمِّداً فَجَزَاؤُهُ جَهَنَّمُ خَالِداً فِيهَا وَغَضِبَ اللهُ عَلَيْهِ وَلَعَنَهُ وَأَعَدَّ لَهُ عَذَاباً عَظِيماً

    Und wer einen Gläubigen vorsätzlich tötet, dessen Vergeltung ist die Hölle als ewig darin Verweilender. Und Allah zürnt ihm und verflucht ihn und bereitet ihm eine gewaltige Pein.

    (Sure 4, Vers 93)

    Der ob der Erhabenheit über jeden Mangel Gepriesene sagt ferner:

مِنْ أَجْلِ ذَلِكَ كَتَبْنَا عَلَى بَنِي إِسْرَائِيلَ أَنَّهُ مَن قَتَلَ نَفْسًا بِغَيْرِ نَفْسٍ أَوْ فَسَادٍ فِي الأَرْضِ فَكَأَنَّمَا قَتَلَ النَّاسَ جَمِيعًا وَمَنْ أَحْيَاهَا فَكَأَنَّمَا أَحْيَا النَّاسَ جَمِيعًا

    Aus diesem Grunde haben WIR den Kindern Israel aufgezeichnet: Wer eine Seele tötet – es sei denn für eine Seele oder Untat auf Erden –, so ist er so, als ob er alle Menschen zusammen getötet hat, und wer sie am Leben erhält, so ist er so, als ob er alle Menschen zusammen am Leben erhalten hat ...

  (Sure 5, Vers 32)

    In einem von An-Nasaa`i in dessen Hadith-Sammlung überlieferten Hadith berichtete Abdullah ibn Amr (möge Allah an beiden Wohlgefallen finden!), dass der Prophet (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!) sagte: "Das Beseitigen der diesseitigen Welt ist vor Allah gewiss minderwertiger als das Töten eines Muslims." In einem von Ibn Maadscha überlieferten Hadith sagte Ibn Umar (möge Allah an beiden Wohlgefallen finden!): "Ich habe den Propheten (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!) die Ka´ba umschreiten sehen und Folgendes sagen hören: «Wie schön bist du und wie schön ist dein Geruch! Wie großartig bist du und wie großartig ist deine Unantastbarkeit! Bei DEM, in DESSEN Hand die Seele Muhammads liegt! Die Unantastbarkeit eines Gläubigen, dessen Vermögen und dessen Blut sowie unser ausschließlich gutes Denken über ihn sind bei Allah gewiss großartiger als deine Unantastbarkeit!»"

    Zu den Themen der Hadithe gehört ferner das Töten ahnungsloser Menschen. In einem von Abu Dawud und Al-Haakim in dessen Hadith-Sammlung Al-Mustadrak nach einer Aussage von Abu Huraira (möge Allah an ihm Wohlgefallen finden!) überlieferten Hadith sagte Allahs Gesandter (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!): "Ein den Glauben Verinnerlichender bringt nicht um. Der Glaube ist die Fessel des Umbringens." Ibn Al-Athier sagte in seinem Werk An-Nihaaja: "Umbringen bedeutet, dass ein Mann zu seinem ahnungslosen Gefährten unversehens kommt, über ihn herfällt und ihn tötet." Der Hadith bedeutet also, dass der Glaube jemanden daran hindert, einen anderen Menschen umzubringen, wie die Fessel freies Handeln verhindert. Die zitierten Worte des Propheten (Wohlergehen und Friede seien mit ihm!) "Ein den Glauben Verinnerlichender bringt nicht um" stellen eine Mitteilung im Sinne eines Verbotes dar, weil diese Handlung Hinterlist und Täuschung enthält, oder auch ein direktes Untersagen.

    Zweitens: Verstoß gegen die Ziele der Scharia:

    Die edle Scharia erschien und unterstrich die Pflicht zum Schützen von fünf Dingen, worin sich alle Glaubensrichtungen einig sind, nämlich das Schützen der Religionen, des Lebens, der Vernunft, der Ehre und des Vermögens. Man nennt sie die fünf Ziele der Scharia.

    Es ist ganz offensichtlich, dass die in der Frage erwähnten Sprengstoffanschläge nicht das Hinfälligwerden dieser zu schützenden Ziele berücksichtigen, zu denen das Ziel des Schutzes des Lebens gehört. Handelt es sich beim Getöteten um einen Selbstmörder, der den Sprengstoffanschlag ausführt und sich durch einen Sprengstoffgürtel oder Ähnliches mit der Absicht des Tötens Anderer in ungerechter und feindseliger Weise selbst in den Tod stürzt, fällt er dadurch unter die allgemein gültigen Worte des Propheten (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!) in einem von Abu Awaana in dessen Werk Al-Mustachradsch nach einer Aussage von Thaabit ibnu-d-Dahhaak (möge Allah an ihm Wohlgefallen finden!) überlieferten Hadith: "Wer sich selbst in der diesseitigen Welt mit etwas tötet, wird damit am Auferstehungstag gepeinigt." In einem von Muslim in dessen Werk authentischer Hadithe nach einer Aussage von Abu Huraira (möge Allah an ihm Wohlgefallen finden!) überlieferten Hadith sagte der Prophet (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!): "Wer sich selbst mit einem Eisenstück tötet, in dessen Hand wird das Eisenstück sein, und er wird für ewig mit diesem im Höllenfeuer in seinen Bauch stechen. Und wer Gift einnimmt und sich selbst dadurch umbringt, der wird das Gift für ewig im Höllenfeuer trinken. Und wer sich von einem Berg stürzt und sich selbst dadurch tötet, der wird sich für ewig ins Höllenfeuer stürzen." Imam An-Nawawi schuf ein Kapitel über diesen Hadith in seinem Kommentar zu Muslims Werk authentischer Hadithe, in dem er sagt: "Kapitel: Striktes Haram-Erklären für den Selbstmord eines Menschen. Wer sich selbst mit etwas tötet, wird damit im Höllenfeuer gepeinigt."

    Handelt es sich indes beim Getöteten nicht um den Selbstmörder, gilt Folgendes: War der Getötete ein Muslim, gilt sein vorsätzlicher feindseliger Mord als nach dem Leugnen des Islam schlimmste Sünde überhaupt. Hinsichtlich der Annahme der Reue des Mörders oder deren Nichtannahme gab es bei den Prophetengefährten und den ihnen folgenden Generationen unterschiedliche Meinung. War der Getötete jedoch kein Muslim, gilt Folgendes: Befand er sich in muslimischen Ländern, gilt er als zu Schützender. Befand er sich indes in seinem Land, wird er als ahnungsloser schuldloser Bürger betrachtet. In beiden Fällen ist das Leben derartiger Menschen zu schützen; ein Angriff darauf ist haram und es besteht die Pflicht zur Lebenserhaltung.

    Ebenso berücksichtigen jene Sprengstoffanschläge nicht das Hinfälligwerden des Ziels des Schutzes des Vermögens. Es ist also offensichtlich, was daraus in schweren Schaden am Eigentum sowie an öffentlichen und privaten Einrichtungen und Besitztümern resultiert, wobei die Scharia das Zerstören und Ruinieren von Eigentum für haram erklärt. Das Harame wird noch gewichtiger und vervielfacht sich, wenn dieses zerstörte Besitztum nicht dem Zerstörenden, sondern Anderen gehört – wie es hier der Fall ist. Das Harame hängt also einerseits mit dem Verstoß gegen ein Verbot der Scharia und andererseits mit den Rechten der Menschen zusammen.

    Drittens: Damit unbedingt verbundende Schäden und Ursachen von Unmoral:

   Die edle Scharia fokussiert auf das Herbeiführen von Wohlergehen und dessen Vervollkommnung sowie auf das Beheben von Ursachen für Unmoral und deren Verhinderung. Es ist für jeden Einsichtigen ganz offensichtlich, dass jene Sabotageakte für Muslime in Ost und West Ursachen von Unmoral bewirken, zu denen gehört, dass sie unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung oder Wahrung wirtschaftlicher Interessen respektive Befreiung der Völker als Handhabe und Rechtfertigung für das Einmischen in die inneren Angelegenheiten der islamischen Länder, Hegemonie über sie, Ausbeutung deren Bodenschätze und Plünderung deren Einnahmen benutzt werden. Wer jene Leute durch seine törichten Handlungen bei der Realisierung deren Absichten und Erreichen deren Zweckes unterstützt, der schlägt eine Bresche in die Reihen der Muslime und die Länder des Islam und hilft bei der Degradierung der Muslime und bei der Hegemonie über deren Länder, was zu den schlimmsten Verbrechen gehört.

    Die Gelehrten bestimmten, dass für den Fall eines Konfliktes zwischen Wohlergehen und Ursache für Unmoral das Beheben der Ursache für Unmoral dem Herbeiführen des Wohlergehens vorzuziehen ist. Diese Worte unserer Gelehrten beziehen sich auf unzweifelhafte und anerkannte Interessen. Wie steht es dann erst mit einem imaginären oder gar nicht vorhandenen Interesse?

    Das Anwenden von Töten, Versetzen in Schrecken und Zerstören von Besitztümern und Vernichten von Vermögenswerten innerhalb der muslimischen Gesellschaft, wie es bei den Sprengstoffanschlägen in den Ländern der Muslime der Fall ist, wird bei den Rechtsgelehrten "Bürgerkrieg" genannt. Und Bürgerkrieg stellt Stiften von Unheil und Unmoral auf Erden dar. Ein auf frischer Tat gestellter Täter verdient eine strengere Strafe als die Strafen für einen Mörder, Dieb und Durchführenden von außerehelichem Geschlechtsverkehr; denn sein Verbrechen ist eine Methode, bei der deren Anwendende gegen die Gesellschaft vorgeht. Der Erhabene sagt:

إِنَّمَا جَزَاءُ الَّذِينَ يُحَارِبُونَ اللهَ وَرَسُولَهُ وَيَسْعَوْنَ فِي الأَرْضِ فَسَادًا أَنْ يُقَتَّلُوا أَوْ يُصَلَّبُوا أَوْ تُقَطَّعَ أَيْدِيهِمْ وَأَرْجُلُهُمْ مِنْ خِلاَفٍ أَوْ يُنْفَوْا مِنَ الأَرْضِ ذَلِكَ لَهُمْ خِزْيٌ فِي الدُّنْيَا وَلَهُمْ فِي الآَخِرَةِ عَذَابٌ عَظِيمٌ

    Die Vergeltung derer, die Allah und SEINEN Gesandten bekämpfen und Unmoral auf Erden erstreben, ist ja nun nichts weiter, als dass sie getötet oder gekreuzigt oder ihre Hände und Beine wechselseitig abgeschlagen oder sie aus dem Land verbannt werden. Dies ist für sie eine Schande im Diesseits, und für sie ist im Jenseits gewaltige Pein!

                                                                                                   (Sure 5, Vers 33)

    Und Allah der Hocherhabene weiß es am besten!

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