Rechtsnorm für Schwangerschaftsabbr...

Das Ägyptische Fatwa-Amt

Rechtsnorm für Schwangerschaftsabbruch ob einer für die Mutter schädlichen Missbildung des Embryos

Ihre Frage

Meine Ehefrau ist 19 Jahre alt. Sie ist in der Mitte des sechsten Monats schwanger. Wir stellten fest, dass die Schwangerschaft seit Beginn nicht normal verläuft, denn die Sonografie zeigte, dass es zwei Embryonen gibt, von denen einer lebend und der andere nicht lebend ist. Wir beobachteten weiterhin die Entwicklung der Schwangerschaft, bis der letztgenannte Zwilling verschwand, während der lebende Zwilling sich weiterentwickelte. Vor etwa einem Monat entdeckten wir durch 4D-Ultraschall, dass der Fetus in Folge eines gutartigen Hirntumors an einem großen Wasserkopf bei konstantem Schädel leidet, der zur Vergrößerung des Kopfes des Fetus und zu einem allmählichen Verlust von Hirnsubstanz führt.  Ein Gynäkologie-Professor an der Medizinfakultät der Ain-Schams- Universität, der die Sonografie durchführte, erklärte uns nachdrücklich, dass die Schwangerschaft unverzüglich beendet werden muss, denn die Fortsetzung der Schwangerschaft bis zum Schluss kann zu einer umfangreichen Erweiterung des Kopfes des Fetus in einer Weise führen, die die Normalentbindung erschwert. Er sagte ferner, dass es überhaupt keine Chance gibt, dass das Neugeborene nach der Entbindung ob der Abnahme der Gehirnsubstanz weiter lebt. Ich ließ mich dann von einem Facharzt für Nervenkrankheiten beraten, der mir bestätigte, dass ein Überleben des Kindes schwer vorstellbar und dessen Rettung schwierig sei, falls es im siebten Schwangerschaftsmonat zur Welt gebracht wird, weil es keine zur Erfüllung vitaler, kinetischer und anderer Funktionen ausreichende Hirnmasse gibt. Ferner warnte mich meine leibliche Schwester – die als Gynäkologin und Spezialistin für Neonatologie (Neugeborenenheilkunde) an der Medizinfakultät der Ain-Schams-Universität tätig ist – vor der Fortsetzung der Schwangerschaft bis zum Schluss, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit der vergrößerte Schädel eine gefährliche Wirkung auf die Mutter haben werde, was zu einer akuten Gebärmutterblutung und dies wiederum zur Gebärmutterentfernung führen kann – das verhüte Allah! –, zumal meine Ehefrau noch jung ist und Allah der Hochmajestätische uns die Gnade des Zeugens von Kindern noch nicht erwiesen hat. Darüber hinaus ist dies gefährlich für das Leben der Mutter.

Wie lautet nun die Rechtsnorm für einen  Schwangerschaftsabbruch in diesem Fall?

Antwort

    Die Rechtsgelehrten sind der einmütigen Meinung, dass man einen Fetus nicht abtreiben lassen darf, und dass einem der Schwangerschaftsabbruch absolut verboten ist, wenn der Fetus 120 Tage alt ist – denn dies ist das Alter des Einhauchens des Geistes Allahs in den Fetus –, weil es sich hierbei um das von Allah verbotene Töten der Seele – außer aus einem legalen Grund – handelt. Dies beruht auf den folgenden Worten des Erhabenen:  

قُلْ تَعَالَوْا أَتْلُ مَا حَرَّمَ رَبُّكُمْ عَلَيْكُمْ أَلَّا تُشْرِكُوا بِهِ شَيْئًا وَبِالْوَالِدَيْنِ إِحْسَانًا وَلَا تَقْتُلُوا أَوْلَادَكُمْ مِنْ إِمْلَاقٍ نَحْنُ نَرْزُقُكُمْ وَإِيَّاهُمْ وَلَا تَقْرَبُوا الْفَوَاحِشَ مَا ظَهَرَ مِنْهَا وَمَا بَطَنَ وَلَا تَقْتُلُوا النَّفْسَ الَّتِي حَرَّمَ اللَّهُ إِلَّا بِالْحَقِّ ذَلِكُمْ وَصَّاكُمْ بِهِ لَعَلَّكُمْ تَعْقِلُونَ

    Sprich: Kommt her! Ich will euch verlesen, was euer Herr euch als haram erklärt : Dass ihr IHM nichts beigesellt und zu den Eltern gütig seid und eure Kinder aus Furcht vor Armut nicht tötet! WIR versorgen euch und sie; und nähert euch nicht den Abscheulichkeiten, was von ihnen offen und was verborgen ist; und tötet keine Seele, die Allah als haram erklärt hat, es sei denn aus einem legalen Grund! Dies hat ER euch anbefohlen, damit ihr begreifen möget.

(Sure 6, Vers 151)

    Und ferner auf den Worten des Erhabenen: 

وَلَا تَقْتُلُوا النَّفْسَ الَّتِي حَرَّمَ اللَّهُ إِلَّا بِالْحَقِّ وَمَنْ قُتِلَ مَظْلُومًا فَقَدْ جَعَلْنَا لِوَلِيِّهِ سُلْطَانًا فَلَا يُسْرِفْ فِي الْقَتْلِ إِنَّهُ كَانَ مَنْصُورًا

    Und tötet nicht die Seele, die Allah für haram erklärt hat, es sei denn aus einem legalen Grund! Wer ungerechterweise getötet wird, dessen Sachwalter haben WIR Ermächtigung erteilt; doch soll er nicht maßlos im Töten sein! Er ist wahrhaftig ein Unterstützter!

(Sure 17, Vers 33)

     Für den Fall, dass der Fetus im Mutterleib das Alter von 120 Tagen noch nicht erreicht hat, gibt es nun aber unter den Rechtsgelehrten in puncto Rechtsnorm für den Schwangerschaftsabbruch Meinungsverschiedenheit. Einige von ihnen sprechen sich für ein Verbot aus – dies ist die anerkannte Meinung der Malikiten und der Zahiriten –, wohingegen einige Malikiten rundweg von Verwerflichkeit reden. Andere Gelehrte plädieren für die Zulässigkeit bei Vorhandensein eines Entschuldigungsgrundes, was die Ansicht einiger Hanafiten und Schafiiten darstellt.

    Das Ausschlaggebende und Bevorzugte für diese Fatwa besteht darin, dass der Schwangerschaftsabbruch absolut verboten ist, wobei es unerheblich ist, ob er vor oder nach dem Einhauchen des Geistes vorgenommen wird, es sei denn, es gibt einen schariatischen dringenden Notfall.

    In Beantwortung der Frage und auf Grund des Erwähnten ergibt sich Folgendes:

    Der Schwangerschaftsabbruch ist unzulässig, es sei denn, ein unbescholtener zuverlässiger Facharzt entscheidet, dass sich aus der Fortsetzung der Schwangerschaft Schaden für das Leben der Mutter ergibt oder dies zur Entfernung deren Gebärmutter oder zu einer dauerhaften Behinderung oder einer akuten Krankheit bei ihr führt.

    Was aber das Vorhandensein der Missbildungen beim Fetus betrifft, so gilt dies nicht als ein Entschuldigungsgrund für den Schwangerschaftsabbruch. Die Unantastbarkeit eines in der Gebärmutter vorhandenen lebenden Fetus gleicht der Unantastbarkeit eines bei uns lebenden Neugeborenen; beide leben ja und atmen, bewegen sich und ernähren sich. Genauso wie es haram ist, dass man das Leben eines behinderten oder missgebildeten Kindes beendet, ist es gleichermaßen haram, dass man das Leben eines Fetus, dessen Missbildung die medizinische Untersuchung festgestellt hat, beendet.

    Außerdem stellt die geringe Wahrscheinlichkeit für eine Normalentbindung allein keinen Entschuldigungsgrund für den Schwangerschaftsabbruch dar, weil man die Entbindung auf chirurgischem Wege durchführen kann. Das Entscheidende im vorliegenden Fall liegt lediglich darin, ob es einen Interessenkonflikt zwischen dem Leben des Fetus mit dem Leben der Mutter gibt oder ob daraus eine große Gefahr für die Gesundheit der Mutter resultiert – mit der apodiktischen Aussage, dass das Neugeborene nicht weiter leben wird. Hierbei wird folgende schariatische Regel befolgt: Bei zwei Übeln ist das kleinere zu wählen. 

    Und Allah der Erhabene weiß es am besten!

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