Beweiskraft des Geständnisses vor G...

Das Ägyptische Fatwa-Amt

Beweiskraft des Geständnisses vor Gericht

Ihre Frage

n style="font-size: 10pt">    Die Frage dreht sich um Folgendes:

    Ich legte Berufung gegen die Agrarreform-Organisation ein, die meine Besitztümer und meinen Ackerboden beschlagnahmt hatte, was die Vorherbestimmung Allahs darstellt. Die Berufung wurde unter der Nummer 45/377 Qaaf Sien Ain in Damanhur registriert. Ich legte mit der Klageschrift zwei wichtige Dokumente vor, nämlich zwei von der Agrarreform notariell beglaubigte Geständnisse: Die Dienststelle für Beschlagnahme bezeugt mein Eigentum und Eigenbehaltsrecht auf ein Grundstück von 49 Feddan, 10 Qirat und 20 Sahm (ca. 21 ha) im Bezirk Al-Achmaas im Kreis As-Saadaat in der Provinz Al-Munufieja. In Anbetracht der Tatsache, dass die Rechtsstellung dieses Geständnisses eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung für die Wahrheitstreue des Begünstigten des Geständnisses und eine Anerkennung des sich gegenüber der Agrarreform befindlichen Anspruchs bildet und dass das Geständnis einen Sachverhalt, das Informieren über einen Sachverhalt und das Enthüllen der Wahrheit darstellt, aus dem indes noch kein Rechtsanspruch erwächst, bat ich das Hohe Gericht um Genehmigung für das Erstellen und Ausfertigen einer schariatischen Fatwa durch das Ägyptische Fatwa-Amt über das Ausmaß der Beweiskraft eines Geständnisses in der ehrwürdigen islamischen Scharia und über die Reichweite meines Rechts auf Einforderung meines kraft beider vorgelegten Geständnisse bestätigten Grundbesitzes; beide Geständnisse seitens der Agrarreform bestätigen ja mein Eigentumsrecht an diesem Grundstück. Die Berufungssitzung war am 5.12.2004 anhängig und wurde zwecks Ausfertigung einer Fatwa Ihrerseits auf den 5.3.2005 verschoben.

    Daher beehre ich mich, Eurer Eminenz diese Angelegenheit zwecks Ausfertigung einer schariatischen Fatwa zu den beiden meine Klage stützenden Geständnissen vorzulegen.

Antwort

 

    Die Rechtsgelehrten legten fest, dass das Geständnis das Informieren über die Bestätigung eines Rechtes gegenüber einem Anderen seitens des Informierenden darstellt. Für die Legalität des Geständnisses gibt es neben dem Konsensus Beweise in Quran und Sunna. Der Erhabene sagt:

يَا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُوا إِذَا تَدَايَنتُم بِدَيْنٍ إِلَى أَجَلٍ مُّسَمًّى فَاكْتُبُوهُ وَلْيَكْتُب بَّيْنَكُمْ كَاتِبٌ بِالْعَدْلِ وَلاَ يَأْبَ كَاتِبٌ أَن يَكْتُبَ كَمَا عَلَّمَهُ اللَّهُ فَلْيَكْتُبْ وَلْيُمْلِلِ الَّذِي عَلَيْهِ الحَقُّ وَلْيَتَّقِ اللَّهَ رَبَّهُ وَلاَ يَبْخَسْ مِنْهُ شَيْئاً فَإِن كَانَ الَّذِي عَلَيْهِ الحَقُّ سَفِيهاً أَوْ ضَعِيفاً أَوْ لاَ يَسْتَطِيعُ أَن يُمِلَّ هُوَ فَلْيُمْلِلْ وَلِيُّهُ بِالْعَدْلِ وَاسْتَشْهِدُوا شَهِيدَيْنِ مِن رِّجَالِكُمْ فَإِن لَّمْ يَكُونَا رَجُلَيْنِ فَرَجُلٌ وَامْرَأَتَانِ مِمَّن تَرْضَوْنَ مِنَ الشُّهَدَاءِ أَن تَضِلَّ إِحْدَاهُمَا فَتُذَكِّرَ إِحْدَاهُمَا الأُخْرَى وَلاَ يَأْبَ الشُّهَدَاءُ إِذَا مَا دُعُوا وَلاَ تَسْأَمُوا أَن تَكْتُبُوهُ صَغِيراً أَوْ كبِيراً إِلَى أَجَلِهِ ذَلِكُمْ أَقْسَطُ عِندَ اللَّهِ وَأَقْوَمُ لِلشَّهَادَةِ وَأَدْنَى أَلاَّ تَرْتَابُوا إِلاَّ أَن تَكُونَ تِجَارَةً حَاضِرَةً تُدِيرُونَهَا بَيْنَكُمْ فَلَيْسَ عَلَيْكُمْ جُنَاحٌ ألاَّ تَكْتُبُوهَا وَأَشْهِدُوا إِذَا تَبَايَعْتُمْ وَلاَ يُضَارَّ كَاتِبٌ وَلاَ شَهِيدٌ وَإِن تَفْعَلُوا فَإِنَّهُ فُسُوقٌ بِكُمْ وَاتَّقُوا اللَّهَ وَيُعَلِّمُكُمُ اللَّهُ وَاللَّهُ بِكُلِّ شَيْءٍ عَلِيمٌ

    O ihr, die den Glauben verinnerlichen! Wenn ihr voneinander eine Geldschuld bis zu einem festgesetzten Zeitpunkt aufnehmt, dann schreibt sie auf! Und schreiben soll ein Schreiber unter euch in Gerechtigkeit! Und nicht weigern soll sich ein Schreiber, dass er aufschreibe, wie Allah ihn gelehrt hat. So soll er denn aufschreiben, und diktieren soll derjenige, gegen den der Rechtsanspruch besteht! Und er soll in Ehrfurcht gegenüber Allah, seinem Herrn, demütig sein und er soll nichts davon beschneiden! Wenn nun derjenige, gegen den der Rechtsanspruch besteht, töricht oder schwach ist oder nicht selbst diktieren kann, so soll sein Sachwalter diktieren in Gerechtigkeit. Und verlangt das Bezeugen zweier Zeugen aus den Reihen eurer Männer! Wenn es nun nicht zwei Männer sind, dann so ein Mann und zwei Frauen aus den Reihen derer, mit denen als Zeugen ihr zufrieden seid, sodass – wenn eine von beiden sich irrt – eine die andere erinnere. Und nicht weigern sollen sich die Zeugen, wenn auch immer sie aufgerufen wurden! Und werdet nicht müde, dass ihr es – sei es klein oder groß – bis zu seinem Zeitpunkt aufschreibt! Dies ist gerechter für euch vor Allah und korrekter für das Bezeugen und näher liegender, dass ihr nicht skeptisch seid; es sei denn, es ist eine vorhandene Handelsware, die ihr unter euch in Umlauf bringt. Dann ist es kein Vergehen für euch, wenn ihr sie nicht aufschreibt. Und nehmt Zeugen, wenn ihr untereinander Verkäufe tätigt! Und geschädigt werden soll weder ein Schreiber noch ein Zeuge! Und wenn ihr es tut, so ist es wahrhaftig ein Frevel von euch. Und seid demütig in Ehrfurcht gegenüber Allah! Und Allah lehrt euch und Allah weiß um alle Dinge.

     (Sure 2, Vers 282)

    Allah weist den Schuldner somit an, einem Schreiber seine Schuld zu diktieren. Würde das Geständnis des Schuldners nicht angenommen, wäre ja sein Diktieren sinnlos. Ferner ließ der Prophet (Allah segne ihn und schenke ihm Wohlergehen!) Maa´iz und Al-Ghaamidieja auf Grund deren Geständnisses [hinsichtliches ihres außerehelichen Geschlechtsverkehrs] steinigen. Wenn also das schariatische Strafrecht auf der Grundlage eines Geständnisses vollzogen werden muss, so muss dies erst recht bei einer Geldschuld geschehen. Die Legaligkeit wird auch durch einen rationalen Beweis begründet, insofern als jemand im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte etwas nicht lügnerisch in einer Weise eingesteht, was ihm oder seinem Vermögen schadet. Denn die Glaubwürdigkeit beim Recht gegenüber sich selbst überwiegt, zumal kein Verdacht gegen ihn und Eigenverantwortung in vollem Umfang besteht. 

    Die Auswirkung des Geständnisses ist das Erscheinen dessen, was ein Geständiger in der Vergangenheit gestanden hat.

    Das Geständnis stellt ein Beweismittel per se dar und wird  Belastungsmaterial vorgezogen. Daher beginnt der Richter mit dem Fragen nach einem Geständnis vor dem Fragen nach Zeugenaussagen. Jedoch beschränkt sich dieses Beweismittel ob der Eigenverantwortlichkeit des Geständigen allein auf den Geständigen ohne Andere. Abu Dawud veröffentlichte, dass ein Mann zum Gesandten Allahs (Allah segne ihn und schenke ihm Wohlergehen!) kam und gestand, mit einer von ihm benannten Frau außerehelichen Geschlechtsverkehr ausgeübt zu haben. Der Prophet (Allah segne ihn und schenke ihm Wohlergehen!) ließ diese Frau holen und fragte sie nach dem, was dieser Mann gesagt hatte, worauf sie es leugnete. Da ließ der Prophet das Scharia-Strafrecht gegen den Mann anwenden und die Frau frei.

    Jedoch gibt es Fälle, in denen der Richter Belastungsmaterial zusätzlich zum Geständnis braucht, wenn nämlich ein Delikt das Urteil gegen einen Dritten erforderlich macht.

    Das Geständnis besteht nach den meisten Gelehrten aus vier Elementarpflichten: Geständiger, Begünstigter eines Geständnisses, Gegenstand des Geständnisses und Form.

    Die oben stehende Frage dreht sich um den Gegenstand des Geständnisses, der sich in zwei Arten gliedert: Das Recht Allahs des Erhabenen und das Recht eines Menschen. Die erste Art gliedert sich nochmals in zwei Arten: Das ausschließliche Recht Allahs des Erhabenen und das Recht Allahs des Erhabenen, das das Recht eines Dritten involviert.

    Der Widerruf des Geständnisses unterscheidet sich natürlich je nach Sachlage: Handelt es sich um das Recht Allahs des Erhabenen oder das Recht des Menschen? Auch kann der Widerruf eindeutig sein, wie etwa jemandes Worte: "Ich widerrufe mein Geständnis!" oder "Ich habe bei meinem Geständnis gelogen!" Ein Widerruf kann sich auch durch einen Hinweis ergeben, und zwar wenn der Geständige bei Anwendung des Scharia-Strafrechtes flieht, denn Flucht gilt als Beweis für den Widerruf des Geständnisses. Geht es beim Widerruf um eines der Rechte Allahs, die durch Zweifel hinfällig werden, wie außerehelicher Geschlechtsverkehr, meinen die meisten Rechtsgelehrten, und zwar die Hanafiten, die Vertreter der bekannten Meinung bei den Malikiten und die Rechtsschulen der Schafiiten und Hanbaliten, dass ein Widerruf zu berücksichtigen ist und die Anwendung des Scharia-Strafrechts gegen den Geständigen aufhebt, weil die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dieser beim Widerruf ehrlich ist, was ein Leugnen bedeutet. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass er beim Leugnen lügt. Ist er beim Leugnen ehrlich, hat er bei seinem Geständnis gelogen. Lügt er beim Leugnen, war er bei seinem Geständnis ehrlich, was  Zweifel beim Vollzug des Scharia-Strafrechts hervorruft, und das Scharia-Strafrecht kommt bei Zweifeln nicht zur Anwendung.Es ist überliefert, dass der Gesandte Allahs (Allah segne ihn und schenke ihm Wohlergehen!) den Maa´iz, als dieser ihm außerehelichen Geschlechtsverkehr gestanden hatte, über den Widerruf belehrte. Könnte das Scharia-Strafrecht ob des Widerrufs nicht aufgehoben werden, wäre eine Belehrung sinnlos. Es ist unerheblich, ob man das Geständnis vor oder nach Fällen eines Urteils  respektive vor oder nach Vollzug widerruft.  

    Was aber denjenigen betrifft, der hinsichtlich der Rechte eines Menschen respektive eines der Rechte Allahs des Erhabenen, das nicht durch Zweifel  hinfällig wird – wie Wiedervergeltung, Scharia-Strafrecht bei Verleumdung, Zakat und Sühneleistungen –, ein Geständnis abgelegt hat und dann sein Geständnis widerruft, so wird nach einmütiger Meinung sein Widerruf nicht angenommen, weil es sich dabei um ein Recht handelt, das zu Gunsten eines Dritten feststeht. So kann der Geständige dieses Recht ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht aufheben; denn es ist unvorstellbar, dass das Recht eines Menschen durch Widerruf aufgehoben wird, nachdem dieses zugesichert wurde, zumal die Rechte der Menschen nicht vorenthaltbar sind. Solange also das Recht einem Menschen zugesichert ist, kann man es ohne dessen Zustimmung nicht aufheben. 

    Al-Qarafie veranschaulichte das Geständnis, dessen Widerruf angenommen wird, und jenes, dessen Widerruf nicht angenommen wird, indem er in seinem Werk Al-Furuq Folgendes erwähnte: "Grundsätzlich ist das Geständnis von einem Frommen und von einem Unmoralischen bindend, denn es steht ja im Gegensatz zur menschlichen Veranlagung. Der Maßstab eines nicht widerrufbaren Geständnisses lautet, dass es dabei keinen akzeptablen Entschuldigungsgrund gibt. Der Maßstab eines  widerrufbaren Geständnisses lautet indes, dass es dabei einen akzeptablen Grund gibt. Hat also ein Erbe den weiteren Erben gestanden, dass die von seinem Vater hinterlassene Erbmasse scharia-konform unter ihnen verteilt wird, und danach kamen Zeugen und teilten ihm mit, dass sein Vater sie zum Zeugen dafür angerufen hat, dass er diesem Sohn in dessen Kindheit ein zur Erbmasse gehörendes Haus geschenkt habe und er es besitze, dann gilt Folgendes: Widerruft der Erbe sein Geständnis, wobei er um Nachsicht bittet, dass er diese beweiskräftigen Zeugenaussagen früher nicht gekannt habe, dann wird seinem Anspruch und seinem Entschuldigungsgrund Gehör geschenkt und sein Beweis wird ausgewertet. Sein früheres Geständnis widerlegt oder schmälert den Beweis nicht. Folglich wird der Widerruf seines Geständnisses angenommen.

    Und wenn jemand sagt «Er hat bei mir hundert Dirham gut, falls er schwört – oder durch seinen Eid.» und dann schwört der Begünstigte des Geständnisses und der Geständige nimmt dieses zurück und sagt «Ich habe nicht geglaubt, dass er schwört», dann ist der Geständige zu nichts verpflichtet, weil es sich eingebürgert hat, dass diese Vorbedingung erfordert, dass man an die Verpflichtung dessen, was man gestanden hat, nicht glaubt. Und es hat sich eingebürgert, dass dies kein Geständnis darstellt." Zitatende.

    Und Allah der Hocherhabene weiß es am besten!

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