Vergeltung und ist eine Frau einem ...

Das Ägyptische Fatwa-Amt

Vergeltung und ist eine Frau einem Mann hinsichtlich der Wiedervergeltung gleich?

Ihre Frage

Zwischen zwei Familien brach ein Kampf aus. Ein Mitglied einer der beiden Familien feuerte während des Kampfes auf eine Frau aus der anderen Familie eine Kugel ab, an der sie im Krankenhaus nach einigen Tagen verstarb. Da töteten ihre Söhne diesen Mann. Das Problem endete im Jahr 1986.

    Ist nun eine Frau als Lebewesen einem Mann hinsichtlich der Vergeltung gleichgestellt? Und wie lautet dafür der Standpunkt des Islam, wenn der Sohn des getöteten Mannes einen anderen Mann aus der Familie der Frau töten will? Ist dies zulässig? Und wie lautet der Standpunkt der Scharia, wenn Mitglieder beider Familien in dieser Situation das Leichentuch eines jeden von ihnen dem Anderen überreichen [ein besonders in Oberägypten herrschender Brauch, mit dem das Verzeihen des Straftäters seitens der Familie des Getöteten gemeint ist]?

Antwort

 

    Allah der Erhabene schreibt schariatisch die Vergeltung als Abschreckung eines Verbrechers vor, der das Leben friedlicher Menschen bedroht, deren Rechte und sakrosankten Dinge verletzt sowie Chaos und Unmoral auf Erden stiftet, woraus notwendigerweise Verfall der Moral, Erbeben der Existenz von Individuen, Familien und Gesellschaften resultieren sowie Erschütterung des Vertrauens in die Fähigkeit der göttlichen Gesetzgebung zur Gewährleistung von Sicherheit und Frieden für die Menschen auf dieser Erde, zu deren Kultivierung und Manifestation der Gesetze Allahs auf ihr sie aufgefordert sind. Der Erhabene sagt:

وَلَكُمْ فِي القِصَاصِ حَيَاةٌ يَا أُوْلِي الأَلْبَابِ لَعَلَّكُمْ تَتَّقُونَ

    Und für euch liegt in der Vergeltung Leben, o die ihr Verstand besitzt; vielleicht seid ihr ja in Ehrfurcht gegenüber Allah demütig! 

     (Sure 2, 179)

    Das Leben, das in der Vergeltung liegt, entsprießt dem Abbringen von Kriminellen von Übergriffen von Anfang an. Jemand, der genau weiß, dass er mit seinem Leben als Preis der Bestrafung für sein Verbrechen bezahlen wird, wird eher nachdenken, überlegen und zaudern. Dieses Leben entspringt ebenso der Heilung des Herzens des Bluträchers vom – beim realen Tötungsvorgang entstehenden – Groll und dem Streben nach Vergeltung, die bei den arabischen Stämmen vor nichts Halt machte, so dass ihre etappenweisen Kämpfe wie beim bei ihnen bekannten Al-Basus-Krieg [im 4. Jahrhundert n. Chr. zwischen den Stämmen Bakr und Taghlib] vierzig Jahre dauerten. Wir sehen auch in unserer täglichen Lebensrealität das Blutvergießen, das sich Generation auf Generation aus Familiengroll-Massakern ergibt.

    In der Vergeltung liegt ein Leben im umfassendsten und weitesten Sinne. Denn der Angriff auf das Leben eines Individuums gilt als Angriff auf das Leben insgesamt sowie auf jeden lebenden Menschen, der mit dem Getöteten das Merkmal des Lebens gemein hat. Bringt also die Vergeltung einen Kriminellen davon ab auch nur ein einziges Menschenleben auszulöschen, so bringt sie ihn von einem Anschlag auf das Leben insgesamt ab. In diesem Abbringen liegt Leben, und zwar absolutes Leben – kein Leben eines Individuums und kein Leben einer Familie oder das Leben einer Gemeinschaft, sondern ein Leben im vollen Sinn des Wortes.

    Nicht jedes Töten macht Vergeltung zur Pflicht. Nur vorsätzliches Töten unter von den Rechtsgelehrten bestimmten speziellen Bedingungen macht sie zur Pflicht.

    Auf der Grundlage des oben Erwähnten und in Beantwortung der Frage gilt Folgendes:

    Erstens: Ein Mann wird getötet, wenn er eine Frau getötet hat. Dies stellt die Meinung der meisten Rechtsgelehrten dar. Ihr Beweis dafür sind die Worte des Erhabenen:

وَكَتَبْنَا عَلَيْهِمْ فِيهَا أَنَّ النَّفْسَ بِالنَّفْسِ وَالْعَيْنَ بِالْعَيْنِ وَالأَنفَ بِالأَنفِ وَالأُذُنَ بِالأُذُنِ وَالسِّنَّ بِالسِّنِّ وَالْجُرُوحَ قِصَاصٌ فَمَن تَصَدَّقَ بِهِ فَهُوَ كَفَّارَةٌ لَّهُ وَمَن لَّمْ يَحْكُم بِمَا أَنزَلَ اللَّهُ فَأُوْلَئِكَ هُمُ الظَّالِمُونَ

    Und WIR haben ihnen darin vorgeschrieben: Leben um Leben und Auge um Auge und Nase um Nase und Ohr um Ohr und Zahn um Zahn, sowie bei Verletzungen Vergeltung. Wer aber darauf verzichtet, so ist ihm dies eine Sühneleistung. Und wer nicht gemäß dem richtet, was Allah hinabgesandt hat, so sind jene, sind sie die Ungerechten...

    (Sure 5, Vers 45)

    Und die Worte des Erhabenen:

وَلَكُمْ فِي القِصَاصِ حَيَاةٌ يَا أُوْلِي الأَلْبَابِ لَعَلَّكُمْ تَتَّقُونَ

    Und für euch liegt in der Vergeltung Leben, o die ihr Verstand besitzt; vielleicht seid ihr ja in Ehrfurcht gegenüber Allah demütig! 

    (Sure 2, 179)

    Dies ist allgemein, es sei denn, es gibt einen Beweis, der das Allgemeine spezialisiert. Außerdem gibt es einen von Abdu-r-Razzaaq, Ad-Daaraqutni und Anderen nach einer Aussage von Abu Bakr ibn Muhammad ibn Amr ibn Hazm nach Aussagen seines Vaters und seines Großvaters veröffentlichten Hadith, in dem steht: "Allahs Gesandter (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!) schrieb an die Jemeniten unter Anderem: "Ein Mann wird getötet, wenn er eine Frau getötet hat."

    Weil nun beide zwei Personen sind, gegen jede von ihnen das Scharia-Strafrecht für Verleumdung gegen die andere angewandt wird, wird Vergeltung unter beiden wie unter zwei Männern geübt. Aus oben Erwähntem ist die Frau dem Mann hinsichtlich Vergeltung gleichgestellt.

    Zweitens: Ein Mann darf die Vergeltung nicht selbst durchführen, sondern soll seine Angelegenheit dem zuständigen Gericht ob des Erfüllens der Bedingungen der Vergeltung vorlegen.

    Drittens: Über die Frage des Überreichens der Leichentücher unter den Familien ist kein Text des Quran, der Sunna oder der Vorgehensweise der rechtschaffenen Vorfahren überliefert. Vielmehr ist es ein neu eingeführter Brauch, der das Ablegen der Lasten des Konfliktes zwischen den Familien und Kontrahenten zeigt. So gibt es von der Scharia her nichts dagegen einzuwenden.

    Vergeltung wird durch eine der folgenden Angelegenheiten hinfällig:

  1. Verzeihen seitens der Sachwalter des Getöteten gegenüber dem Kriminellen oder nur eines von ihnen, vorausgesetzt, er ist im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und volljährig. 
  2. Tod des Kriminellen, bevor ihm gegenüber Vergeltung geübt wird.

    Wurde die Vergeltung hinfällig, ist man zum Wergeld verpflichtet, es sei denn, die Sachwalter des Getöteten verzichten darauf, womit es ebenfalls hinfällig wird.

    Und Allah der Hocherhabene weiß es am besten!

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