Frau, deren Ehemann ihr Ableben bei...

Das Ägyptische Fatwa-Amt

Frau, deren Ehemann ihr Ableben bei Autounfall verschuldete, hinterließ Mutter, zwei Töchter, ehelichen Hausrat und später zurückzuzahlende Brautgabe

Ihre Frage

Die Fragestellerin bittet um die Rechtsnorm für folgende Frage:

   Der Ehemann meiner Tochter verschuldete deren Tod bei einem Autounfall in Saudi-Arabien. Sie hinterließ außer uns zwei Töchter und ehelichen Hausrat und die später zurückzuzahlende Brautgabe. Wer hat nun den größten Anspruch auf das Erziehen beider Töchter, wobei zu bemerken ist, dass ich bei guter Gesundheit bin? Und wie lautet die Rechtsnorm für die Erbschaft und die ehelichen Rechte meiner Tochter?

Antwort

 

    In der Scharia ist Wergeld das auferlegte Geld für eine [getötete] Seele oder für etwas Geringeres. Die Quelle für die Verpflichtung zum Wergeld sind die Worte Allahs, des Erhabenen:

وما كان لمُؤمِنٍ أَن يَقتُلَ مُؤمِنًا إلاّ خَطأً ومَن قَتَلَ مُؤمِنًا خَطأً فتَحرِيرُ رَقَبةٍ مُؤمِنةٍ ودِيةٌ مُسَلَّمةٌ إلى أُهلِه إلاّ أَن يَصَّدَّقُوا فإن كان مِن قَومٍ عَدُوٍّ لكم وهو مُؤمِنٌ فتَحرِيرُ رَقَبةٍ مُؤمِنةٍ وإن كان مِن قَومٍ بينكم وبينهم مِيثاقٌ فدِيةٌ مُسَلَّمةٌ إلى أَهلِه وتَحرِيرُ رَقَبةٍ مُؤمِنةٍ فمَن لم يَجِد فصِيامُ شَهرَينِ مُتَتابِعَينِ تَوبةً مِن اللهِ وكان اللهُ عَلِيمًا حَكِيمًا

    Einem Gläubigen steht es nicht zu einen Gläubigen zu töten, es sei denn fahrlässig. Und wer einen Gläubigen fahrlässig tötet, so soll er einen gläubigen Sklaven befreien. Und ein Wergeld, auszuhändigen an seine Familie, es sei denn, sie erlassen es als Almosen. Wenn er zu einem euch feindlichen Volk gehörte und gläubig war, dann das Befreien eines gläubigen Nicht-Freien. Und wenn er zu einem Volk gehörte, zwischen dem und euch ein Abkommen besteht, dann das Aushändigen eines Wergeldes an seine Angehörigen und Befreien eines gläubigen Nicht-Freien. Wer aber nichts findet, so das Fasten zwei aufeinanderfolgender Monate – als  Reueannahme von Allah. Und Allah ist allwissend, allweise.

    (Sure 4, Vers 92)

    Allah der Erhabene legt in SEINEM Offenbarungsbuch nicht die Höhe des Wergeldes fest. Im Quran-Vers steht lediglich dessen absolute Auferlegung als Pflicht und nicht dessen Auferlegung als Pflicht für den blutrechtlichen Sippenverband oder den Täter. All dies findet sich lediglich in der ehrwürdigen Sunna. Die Gelehrten sind bei der Verpflichtung zum Wergeld einmütiger Meinung.

    Abu Dawud und Andere überlieferten nach einer Aussage von Ikrima nach Ibn Abbaas (möge Allah an beiden Wohlgefallen finden!): "Ein Mann aus dem Stamm Banu Adiej wurde getötet. Da setzte der Prophet (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!) sein Wergeld auf 12.000 fest."

    Abu Dawud überlieferte auch nach einem Hadith von Amr ibn Schu´aib nach einer Aussage von dessen Vater und Großvater, dass dieser sagte: "Zur Zeit des Gesandten Allahs (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!) lag die Höhe des Wergeldes bei 800 Dinar oder 8.000 Dirham. Das Wergeld der Schriftbesitzer betrug damals die Hälfte des Wertes vom Wergeld der Muslime." Er sagte: "Dies dauerte solange, bis Umar (Allah erbarme SICH seiner!) zum Kalifen ernannt wurde. An jenem Tag hielt er eine Ansprache und sagte: «Die Kamele sind doch wahrhaftig im Preis gestiegen!» Der Hadith-Überlieferer sagte: «So erlegte Umar als Wergeld Goldbesitzern 1.000 Dinar auf, Silberbesitzern 12.000, Besitzern von Kühen 200 Kühe, Besitzern von Schafen 2.000 Schafe und Besitzern von Kleidung 200 Kleidungsstücke.» Er fuhr fort: «Umar ließ das Wergeld gegenüber den freien nicht-muslimischen Untertanen, die in muslimischen Staaten gegen Entrichtung einer Steuer Schutz und Sicherheit genossen. Er erhöhte deren Wergeld nicht wie er es Anderen gegenüber erhöhte.»"

     Ibn Abdu-l-Barr sagte: "In diesem Hadith gibt es den Beweis, dass Dinare und Dirhams auch in die Kategorie des Wergeldes und nicht nur des Zahlungsmittels und Wertes fallen."

    Das Wergeld einer Frau ist die Hälfte des Wertes vom Wergeld eines Mannes, wie dies in der Scharia festgelegt ist.

    Was nun denjenigen betrifft, der das Wergeld eines Täters (bei fahrlässiger Tötung) übernimmt, so obliegt dies dem blutrechtlichen Sippenverband, und zwar gemäß den vom Propheten (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!) überlieferten Berichten, dass er dem blutrechtlichen Sippenverband das Wergeld bei Fahrlässigkeit als Pflicht auferlegte. Die Gelehrten sind sich über diese Meinung einig; denn wenn ein Täter zum Wergeld herangezogen würde, würde dies fast all sein Vermögen aufzehren, zumal ein weiterer Fehler unvermeidbar wäre, wohingegen das Blut des Getöteten umsonst vergossen wäre, wenn der Täter ohne Geldstrafe gelassen würde.

    Der Sippenverband eines Mannes stellt dessen Verwandte väterlicherseits dar. Daher beginnt man mit seinem engeren Familienkreis. Ist dieser nicht in der Lage, werden immer mehr Verwandte hinzugezogen, und zwar zur Einhaltung religiöser Vorschriften verpflichtete freie Männer aus der Verwandtschaft väterlicherseits. Erst dann greift man auf den Fiskus zurück.

    Die Rechtsnorm für das Wergeld lautet, dass dieses für den blutrechtlichen Sippenverband in Raten über drei Jahre aufgeteilt wird – auf der Grundlage dessen, was Umar und Ali (möge Allah auf beiden Wohlgefallen finden!) festgesetzt haben. Der Prophet (Allah segne ihn und schenke ihm Wohlergehen!) bewilligte es jedoch auch als Einmalzahlung, und zwar mit bestimmten Absichten, zu denen gehört, dass man es zwecks Versöhnung und Verbesserung der Beziehung bezahlt. Dazu gehört ferner, dass man es zwecks Verbundenseins rasch bezahlt. Als der Islam sich etabliert hatte, bewerteten die Prophetengefährten das Wergeld gemäß diesem System, wie dies Ibnu-l-Arabi sagte.

    Ibn Abdu-l-Bar sagte: "Die früheren und späteren Gelehrten sind der einhelligen Meinung, dass das Wergeld dem blutrechtlichen Sippenverband obliegt und nur für drei Jahre und nicht weniger ist. Sie sind der einmütigen Auffassung, dass es erwachsenen Männern obliegt.  Ferner stellten die Biografen und Gelehrten einmütig fest, dass in der vorislamischen Zeit der Ignoranz der blutrechtliche Sippenverband das Wergeld übernahm. Allahs Gesandter (Allah segne ihn und seine Familie und schenke ihnen Wohlergehen!) bestätigte es im Islam. Ferner pflegte man Beistandsabkommen zu treffen.

    Kann der blutrechtliche Sippenverband das Wergeld nicht aufbringen, zahlt es der Täter. Ist er nicht in der Lage, darf man das Wergeld von anderen Menschen nehmen, ja sogar von der Zakat.

    Die Versöhnung beim Wergeld sowohl durch Verzeihen als auch mit der Akzeptanz eines geringeren Wertes ist gemäß den Worten des ehrwürdigen Quran zulässig. Der Erhabene sagt:

ودِيةٌ مُسَلَّمةٌ إلى أَهلِه إلاّ أن يَصَّدَّقُوا

    Und ein Wergeld, auszuhändigen an seine Familie, es sei denn, sie erlassen es als Almosen.

    (Sure 4, Vers 92)

    Und ER sagt:

فمَن عُفِيَ له مِن أَخِيه شَيءٌ فاتِّباعٌ بالمَعرُوفِ وأداءٌ إليه بإحسانٍ ذلكَ تَخفِيفٌ مِن رَبِّكم ورَحمةٌ

    ... Wem indes von seinem Glaubensbruder etwas verziehen wird, so sei das Einfordern in rechtlicher Weise und die Entrichtung an ihn in gutwilliger Weise. Jenes ist eine Erleichterung von eurem Herrn und Barmherzigkeit...

    (Sure 2, Vers 178)

    Der allweise Gesetzgeber Allah bevollmächtigt die Angehörigen des Getöteten zum Verzicht auf das Wergeld oder auf einen Teil davon als Entlastung für den Täter, wenn es diesem nämlich nicht leicht fällt Wergeld in toto oder es partiell zu bezahlen. Die Annahme des Wergeldes ist von der Scharia her ebenfalls zulässig, weil es sich dabei um ein Recht der Angehörigen des Getöteten handelt. Sie können es also annehmen oder darauf verzichten oder sich durch Akzeptieren eines Teils davon aussöhnen.

    Was nun die in den Worten des Erhabenen

فمَن لم يَجِد فصِيامُ شَهرَينِ مُتَتابِعَينِ 

    ... Wer aber nichts findet, so das Fasten zwei aufeinanderfolgender Monate...

    (Sure 4, Vers 92)

    erwähnte Sühneleistung betrifft, so vertreten die meisten Gelehrten die Meinung, dass damit Folgendes gemeint ist: Jemand, der keinen Nicht-Freien zum Befreien findet, soll zwei aufeinanderfolgende Monate fasten. Das Fasten lässt also auf gar keinen Fall das Wergeld hinfällig werden. Ad-Dahaak sagte: "Das Fasten obliegt jemandem, der keinen Sklaven zum Befreien findet. Was das Wergeld betrifft, so ist es eine Pflicht, die nichts nichtig macht." Dies stellt die Meinung der meisten Gelehrten dar.

    Masruq und Asch-Scha´bi vertreten die Auffassung, dass das Fasten zwei aufeinanderfolgender Monate für das Wergeld zusammen mit dem Befreien eines Nicht-Freien für jemanden reicht, der nichts findet. Dies wurde von At-Tabaraani nach einer Aussage von Asch-Scha´bi nach einer Aussage von Masruq mit einer authentischen Überliefererkette überliefert.

    At-Tabari und andere wiesen die zweite Meinung damit zurück, dass das Wergeld lediglich dem Sippenverband und nicht dem Täter obliegt, während die Sühneleistung dem Täter und nicht dem Sippenverband obliegt. Wie reicht dann also dieses für jenes? Unsere Meinung lautet, dass diese Lehrmeinung nur bei jemandem vorstellbar ist, der weder einen Sippenverband, der das Wergeld für ihn bezahlt, noch Geld zum Zahlen hat und niemanden findet, der ihm von der Zakat gibt, damit er das Wergeld begleichen kann. In diesem Fall reicht das Fasten zweier Monate für das Wergeld zusammen mit dem Befreien eines Nicht-Freien. Allah der Erhabene sagt:

لا يُكَلِّفُ اللهُ نَفسًا إلاّ وُسعَها          

    Allah mutet einer Seele nur deren Leistungsvermögen zu...

    (Sure 2, Vers 286)

    Das Wergeld nehmen die Erben entsprechend ihren jeweiligen schariatischen Anteilen entgegen.

    In der islamischen Scharia haben die Frauen den höchsten Anspruch auf das Aufziehen eines minderjährigen Kindes, denn aufgezogen zu werden ist ein Recht des aufzuziehenden Kindes und in diesem Alter braucht es die Fürsorge der Frauen mehr. Dies hemmt nicht das Eingreifrecht des Vaters in die Angelegenheiten der Erziehung, Ausbildung und Schulung, wobei das Erziehungsrecht für die Frauen geschützt ist. Die Mutter hat unter den Frauen ob ihrer reichlichen liebevollen Fürsorge für das aufzuziehende Kind in diesem Alter den größten Anspruch darauf. Wird ihr Aufziehen durch ihren Tod oder ihre Heirat mit jemandem, der mit dem aufzuziehenden Kind nicht verwandt ist, hinfällig, geht das Aufziehen auf die Frauen aus ihrer Verwandtschaft über, wie etwa ihre Mutter, ihre Großmutter – sogar in aufsteigender Linie – und dann ihre Schwester sowie andere Verwandten der Mutter, die für das Aufziehen geeignet sind. Gibt es all diese nicht oder sind sie für das Aufziehen nicht qualifiziert, geht das Aufziehen auf die Frauen aus der Verwandtschaft des Vaters über. Sind auch diese nicht vorhanden oder für das Aufziehen nicht geeignet, geht das Aufziehen auf den Vater über.

    Rechtlich gesehen werden die gesamte später zurückzuzahlende Brautgabe und der gesamte Hausrat, selbst wenn es keine Hausratsliste gibt, weiterhin als Eigentum der verstorbenen Frau betrachtet. Rechtlich gesehen wird alles in der Ehewohnung als ihr Eigentum betrachtet, ausgenommen davon sind die persönlichen Sachen des Ehemannes, wie etwa Kleidung, Bücher oder etwas von der Aussteuer, was ihm allein gehört.

    Auf Grund dessen und in Beantwortung der Frage gilt Folgendes: Durch den Tod Ihrer Tochter auf Grund genannten Unfalls und deren Hinterlassen der in der Frage erwähnten Personen wird von ihr ob der fahrlässigen Tötung das Wergeld geerbt, das vom blutrechtlichen Sippenverband ihres Ehemannes – wie oben dargelegt – genommen wird, die gesamte später zurückzuzahlende Brautgabe, der gesamte Hausrat – ausgenommen die Privatsachen ihres Ehemannes – und all ihr anderes Eigentum. Der Mutter steht ein Sechstel der Erbmasse als festgesetzter Anteil zu, deren Ehemann ein Viertel als festgesetzter Anteil, weil sie Nachkommen hat, und den beiden Töchtern zwei Drittel als festgesetzter Anteil, weil es um mehrere Töchter geht und es keinen Sohn der Verstorbenen gibt. Die Erbschaftsmasse besteht aus 12 Anteilen und wird so bewertet, als ob sie aus 13 Anteilen besteht: Die Mutter erhält davon zwei, der Ehemann drei und jede der beiden Töchter vier Anteile.

    Was nun das Aufziehen betrifft, so steht es Ihnen zu und niemand darf Ihnen dies streitig machen.

    Und Allah der Hocherhabene weiß es am besten!

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